wirbel

das erste, was ich in jedem fall machen kann, ist die wirbel anzupassen und die violine ein erstes mal einzustimmen.

ich brauche ein scharfes schnitzmesser, schulkreide, handseife, den bleistift und saiten.

die mitgelieferten saiten sollen dafür erstmal reichen, ich hab mich noch nicht für einen klangcharakter entschieden, wahrscheinlich werden es vernickelte stahlsaiten sein, die ich selbst geschliffen habe, auch werd ich noch am lack der decke arbeiten, weshalb sattel und steg vorerst keine genaue passform bekommen.

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die saiten spannen

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der soundpost darf auf keinen fall umkippen oder verrutschen, deshalb wird als erstes eine gute saitenspannung eingerichtet, was das verhindern soll.

ein soundpost ist ein senkrecht aufgestelltes stöckchen im inneren des klangkörpers, es überträgt die schwingungen der decke direkt auf den boden des instrumentes und kann später vorsichtig zurechtgerückt werden, wenn das setup vollständig ist, was zu einem optimalen klangerlebnis beiträgt, er gibt der decke die nötige stabilität, um den druck der saiten auszuhalten. ohne diese sicherung kann die decke bei starker besaitung brechen, gibt aber in jedem fall nach.

dieses stöckchen wird niemals angeleimt und ist nur leicht festgeklemmt, weshalb es ohne den saitendruck bei stärkeren erschütterungen verrutscht oder umkippt, es muss also auf jeden fall aufrecht und gerade stehen, sonst wird es neu gesetzt, was ich später mit einer eigenen variante unbedingt auch selber mache, damit alles nach meinem geschmack ist.

um den steg aufzurichten, nehme ich ihn so, dass eine eventuell schon angeschrägte fläche vorne ist, also in richtung der länge meiner saiten zum griffbrett und den wirbeln hin zeigt. die flache, gerade fläche kommt nach hinten, zu mir hin, in richtung der aufhängung der saiten, und steht möglichst senkrecht, während sich die angeschrägte fläche vorne leicht zurück neigt.

die form des steges ist typisch für klassische instrumente im europäischen raum, sie stellt atlas dar, eine mythische figur der antike, der hier nicht den himmel trägt sondern unsere saiten auf seinem gebeugten rücken als eine ähnliche last mit beiden füßen fest auf dem instrument und dem kinn auf dem herzen – musik ist die brücke zwischen himmel und erde sagt die alte mythologie des viel weiter östlichen mittleren reiches und gilt representativ für die gesamte höhere kunst und wissenschaft als fünftes element neben wind, wasser, feuer und erde. so ist dieses symbol in jedem fall eine brücke zwischen der alten und der neuen welt, zwischen neuster technik und natürlichen formen, traditionellem handwerk, abstrakter formen und entfernten kulturen.

wem der symbolische charackter des steges nicht gefällt in seiner standardisierten ausführung, die nebenbei gesagt kaum jemand beachtet oder erkennt, der beachte aber in jedem fall die akkustischen eigenschaften dieser form vor einer eigenen gestaltung in vermutlich ähnlicher bauweise.

ich stelle dann den steg so auf, dass er so ziemlich auf die gedachte linie zwischen die eingeritzten ecken der f-löcher kommt während ich die schon leicht vorgespannten saiten langsam und vorsichtig anziehe und darauf achte, dass der steg dabei sich nicht neigt oder verrutscht.

vorschulmäßig gezeigt aber doch sinnvoll, wird der steg grundsätzlich mit daumen und zeigefinger beider hände links und rechts mittig ergriffen und mit sehr viel feingefühl geschickt aufgerichtet und gerade gerückt. dabei ist es nicht nötig eine bestimmte position zu erzwingen, wenn sich die vier saiten gleichmäßig über den rücken des atlas verteilen, er findet auch selbst eine gute mitte.

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wirbel anpassen

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nach der ersten, groben einrichtung mit probesaiten und steg, werden nach der reihe die wirbel einzeln gelöst, bearbeitet, ausprobiert und mit der saite wieder festgedreht. das mach ich aus einfachen gründen, sodass mindestens drei saiten den steg auf spannung halten, während an einer gelösten saite gearbeitet wird, denn neben dem gesicherten soundpost und einem festen steg, kann eine einzelsaite schneller und einfacher ausgewechselt werden als zugleich ein gesamter satz, es werden nämlich immer alle saiten verstimmt bzw. gelockert oder gefestigt, wenn nur an einem einzigen wirbel gedreht wird, behalten aber drei saiten die spannung, kehrt das instrument sehr schnell in seine ausgangslage zurück, sobald die gelöste wieder wie vorher angezogen wird.

weil die erste saite, welche die dünnste ist, auf diesen effekt den größten einfluss hat, beginne ich mit dieser, so wird die arbeit schrittweise leichter.

ich löse also die dünnste saite, lege sie weg und schau mir den wirbel an, drehe ihn ohne gewalt so weit wie möglich ins loch und beobachte wo er noch luft hat und wo er schon klemmt. der wirbel darf im späteren gebrauch schon ein kleines stück auf der anderen seite rauskommen, das wird er auch mit der zeit mehr und mehr von alleine tun, bis er nach jahren mittig liegt. für jetzt wäre es sinnvoll, dass sein schlankeres ende kaum mit dem äußeren rand des wirbelkastens abschließt, dass er also gerade noch nicht drüben ankommt.

bei einem guten anfangsset bleiben dafür gut drei bis vier millimeter platz, es ist zu beachten, dass der mit seife geschmierte wirbel immer noch ein bisschen tiefer rutscht als der trocken perfekt passende.

ich muss also den wirbel mit dem schnitzmesser vorsichtig bearbeiten, sodass er fast genau in sein loch passt. dieses ist und bleibt dann auch sein loch, ein vertauschen ist nichtmehr so richtig geil, die löcher und wirbel entwickeln sich schnell deutlich unterschiedlich, sodass bald kein wirbel mehr in ein anderes loch passt. auch deshalb ist es wohl ratsam die saiten einzeln zu wechseln, sonst geht das probierspiel halt los und.. naja, so schlimm ist das auch nicht.

ich würde hier nur ein wenig schaben, die anpassung ist oft minimal aber absolut notwendig, ich nehme nur sehr wenige, sehr feine späne ab, die bestmögliche rundung muss erhalten bleiben.

wenn ich den wirbel fest hineindrehe, entstehen auf seiner oberfläche spuren, die mir genau zeigen, wo noch was weg muss.

wenn irgendwann alles passt, nehm ich die trockene! seife und reibe den wirbel dort damit ab, wo er im holz stecken wird, bewege ihn rein und drehe ihn mehrmals hin und her. ich kann das öfter wiederholen, bis der wirbel wirklich richtig tief hineingleitet, sodass er minimal drüben wieder herauskommt.

danach nehme ich ihn wieder heraus und kreide die seife ordentlich ein. der wirbel, wenn er mit der kreide wieder drin ist, muss sich ohne gewalt und gleichmäßig aber deutlich gehemmt drehen lassen.

jetzt kann ich mit dem graphit des bleistiftes noch die stellen oben am sattel und unten am steg einreiben, wo die saite herübergeführt wird, damit da nichts klemmt und auch eine teure saite, möglicherweise, nicht beschädigt wird – auch, damit sich die saite nicht zu tief ins holz einschneidet oder der steg beim stimmen zu stark kippt.

wenn ich die saite wieder reingepopelt hab und sie gespannt an ihrem platz liegt, mache ich dasselbe mit dem zweiten wirbel der zweitdünnsten saite. danach kommt die dritte saite und zum schluss die erste.

jetzt ist das instrument soweit, dass es zum ersten mal nach noten gestimmt werden kann. das dauert seine zeit und muss sooft wiederholt werden, bis wirklich auf allen vier saiten der richtige ton kommt, denn immer wenn ich an einem wirbel drehe, verändere ich die spannung aller saiten, ich beginne also wieder mit der ersten saite als der dünnsten, weil die dünneren saiten mehr spannkraft haben, als die dicken mit den tieferen tönen bei gleichem material.