Gänseklein

Auch wenn es eine riesen Sauerei ist, wie Tiere allgemein gehalten werden, geschlachtet, um dann haufenweise im Müll zu landen – ob als Wurst oder Filet, ich will einen Vogel kochen.

Wie böse und gemein das ist, weiß ich selber, und ich will mich nicht rechtfertigen, indem ich vorhalte, in welchem hohen maße ich auf sehr viele unnötige dinge verzichte und dass ich bewusst nicht viel übrig habe für z.B. bananen und kaffee, indem ich nur das regelmäßig kaufe, was meiner meinung nach einen möglichst kurzen leidensweg bestreitet und in geringem maße um sich greift durch tod und zerstörung, was vertretbar ist oder überlebenswichtig.

aber ich lebe auch nach dem lustprinzip und verbiete mir zu viele einschränkungen, die meinem eigenen glück schaden.
Ich weigere mich nur vegetarisch zu leben aus den unterschiedlichsten gründen, und es liegt maßgeblicher protest darin gegen den absolutismus der idealistischen bewegungen, die einfach alles verbieten den eigenen verstand über das diktat fremder vernunft zu erheben.

diese idealistischen verbote anzunehmen ohne sein verantwortungsgefühl und handeln eigenständig zu hinterfragen ist für mich genau so ein verbrechen wie sich aktiv an sämtlichen konsumaktivitäten zu beteiligen, die in vielerlei hinsicht schaden verursachen.
ja salat ist in meiner anschauung ein voll bewusstes und leidensfähiges lebewesen, und wer allein das nicht akzeptiert, muss zugeben, dass die verwendung von massenvernichtungsmitteln gegen insekten und pilze sowie zur bekämpfung von tieren die vll salat essen, von chemischen düngemitteln in den monokulturen des salatanbaus und die aufzucht von unfruchtbaren klonen nicht im geringsten mit tier und umweltschutz vereinbar sind, und dass auch im biosalat kaum eine echte alternative liegt bestenfalls das geringere übel.
wir halten uns also vor augen, die gans wurde von geburt an bis zur schlachtung mindestens durch freiheitsentzug und zwangsernährung gequält und nicht im geringsten als ein würdevolles wesen geachtet, und es macht keinen unterschied, ob sie eine taube, ein hünchen oder eine ente ist, ich habe sie natürlich vom billigsten supermarkt in meiner nähe und mit sicherheit nicht warm und ungerupft vom biobauern.
ich nehme also das schlaffe opfertier, dessen leidvolle tage in der vergangenheit und im reich des vergessens liegen, in meine eigenen hände und fühle die haut, die knochen und das fleisch – blutleer, seelenlos und ergeben.
mitleid ist nichtmehr angemessen, das gedenken an die barbarei und die verbrechen unserer konsumgesellschaft soll dem tier nicht die einzige und letzte würde verweigern, die unsere kultur diesen wesen bietet, denn das glück erworben geworden zu sein in liebevolle hände, die das beste und möglichste versuchen werden jede nur vorstellbare anerkennung zuteil werden zu lassen ist nicht geringer zu schätzen als ein sinnerfülltes leben.
und so ist jeder gedanke und jede neigung jetzt nurnoch auf den genuss gerichtet, den dieses opfer uns bereiten soll und auch auf die kraft, die es uns verleiht.
eins ist klar, es liegt viel darin ein solches opfer entweder gemeinsam oder allein zu essen, und es stellt sich die frage, können wir es im ganzen verschlingen, oder genießen wir es stück für stück.
es heißt ja gern, voller genuss liegt in vollem munde, und kleinlichkeit kann vielen sinnen den vollen reiz erschweren. und so ist das opfer im ganzen gebraten ohne zugaben, und nur mit einem schweren und süßen wein zerrissen und hinuntergespült wohl kaum bis ins letzte verwertet, büßt aber dennoch nichts an seiner wertigkeit ein.
gut ist natürlich, wenn sich räuberische haustiere der reste und knochen bemächtigen können und dürfen, das ist leider häufig nicht möglich, und deshalb wird nach einem nachspiel am nächsten tag in erinnerung und gier alles verschlungen, was möglich ist, und der rest an fett, fasern und knochen wandert ins feuer oder auf den müll.
für fette vögel eignet sich immer ein zweig beyfuß, oder sie im anschluss mit reichlich paprika zu würzen.
was enten und gänse angeht, bin ich mit der paprika methode eher zögerlich und röste sehr gerne einen zweig beyfuß mit, hüner werden da öfter auch schon sehr scharf im paprika gewälzt.
von der methode frisches obst wie äpfel oder orangen in die opfertiere zu stopfen halte ich ziemlich wenig, auch wenn „ente in orangensauce“ bei mir schon hin und wieder zumindest in der phantasie vorkommt, sind die früchte ansonsten in meinen augen dadurch verdorben und das opfer erfährt so meist kaum eine echte aufwertung.
eine witzige variante ist bierdosenhünchen, wo das im ganzen geröstetes huhn mit einer geschlossenen bierdose gefüllt wird, die dann irgendwann platzt und ihren inhalt in den gegarten rumpf ergießt. am besten ist sowas, wenn über dem feuer am spieß gegrillt wird, weil das überschüssige bier ins feuer fließt, und verdampft, wodurch das feuer gedämpft wird und man davon ausgehen kann, dass es im inneren des vogels jetzt heiß genug ist, dass er bald zum teller fliegt.

ich habe oft und gerne die vögel im ganzen verzehrt und bin der überzeugung, dass es für zwei, drei bis vier leute, die sich wirklich gut leiden können das geilste ist mit einer fetten gans richtig eklig rumzusauen und es sich ungeniert schmecken zu lassen.
naja, das ist zwar einerseits total schön, andererseits auch jedes mal ein riesen desaster, und nicht selten habe ich den fehler gemacht mit leuten zusammen zuessen, die diese sitte nicht kennen oder nicht verstehen, und das ist dann entweder so zurückhaltend, dass ein ganzer vogel sich nicht lohnt oder geradezu ekelerregend.
im grunde ist das der ultimative test, um zu sehen, ob man sich gut leiden kann. wenn es möglich ist ohne hemmungen und gleichzeitig ohne ekel oder reue zusammen zu essen, wobei wirklich am ende alle vollkommen satt und herzlich zufrieden sind, dann ist eine innigere freundschaft problemlos möglich.

wenn man sich gegenseitig die guten stücke zuschiebt, kann das liebevoll, aber auch unsicher wirken, wenn sie sich gegenseitig füttern, wir die begegung sehr zärtlich. wenn es sogar passiert, dass sich die runde um stücke reißt, dann ist die voraussetzung für glühende freundschaft und stürmische liebe gegeben.
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jetzt ist es so, dass wir aus verschiedenen gründen lust haben das opfer stückweise zu genießen, und aus jedem einzelnen teil des tieres seine vollen möglichkeiten entfalten. vll auch nur deswegen, weil es zu groß ist, um es im ganzen zu braten, vll auch weil fremde menschen sich am essen beteiligen oder weil sich das mahl über mehrere tage und mehrere gänge erstreckt.
wenn die gans nun tot vor mir liegt, ist das erste – soweit diese warm und vorhanden die innereien herz, magen und leber in bratender butter zu schweken und mit brot zu verzehren.

dabei wird soviel butter verwendet, dass es im anschluss möglich ist mit viel brot die heiße pfanne leer zuwischen. dieses mahl ist in der regel allein für die wenigen köche bestimmt und soll die erste gier befriedigen. es ist aus verschiedenen gründen eine dummheit ein solches opfer mit leerem und knurrendem magen zu bereiten und in jedem fall ist es geraten das ganze in ruhe und mit besinnung zu beginnen und mit einem verlässlichen vorgeschmack auf die qualität des fleisches.
nachdem die pfanne vom brot gesäubert wurde, gehen wir daran das opfer zu zerteilen.
ich trenne die schenkel und die flügel ab, indem ich versuche durch das kugelgelenk zu schneiden ohne den knochen zu treffen oder das brustfleich zu verletzen.

danach schneide ich von den entstandenen löchern aus die haut ein vor dem rücken und entferne die gesamte brusthaut mit dem reinen fett aus der bauchhöle.
jetzt liegt der torso vor mir, und ich kann den brustteil vom rücken trennen, indem ich die weichen rippen durchschneide, sodass das brustfleisch unversehrt bleibt. dazu eignet sich eine schere.
von der brust können jetzt die filetstücke gelöst werden. es zeigen sich jeweils zwei brustmuskeln auf jeder seite. der äußere ist sehr groß und fester, der innere ist deutlich kleiner.
Die unterteilung ist geschmachssache, so kann am schenkel auch jeweils ein halber teil des unteren rückens verbleiben oder auch vom torso die gesamte haut zum fett gelangen und die wirbel, rippen und das fleisch des rückens könnte gut durchgeröstet  zu einer kräftigen soße verarbeitet werden.
auch ist es möglich das opfer vor dem zerteilen zu brühen, und dann nicht das rohe fleisch sondern alles vorgegart zu verarbeiten. das brühen aber bevorzuge ich vor allem, wenn ich das opfer im ganzen sehr heiß grille und erst vor dem servieren in einzelne portionen aufteile. so entsteht eine fette suppe, in die alle nicht servierfähigen reste und knochen gelangen. in der regel alles außer den flügeln und schenkeln und dem jeweils ganzen brustfilet mit dem entsprechenden teil knuspriger haut, evtl. noch die nuggets.
ich habe es nun so gemacht, dass vor mir folgende rohe stücke liegen:
die beiden schenkel und die flügel als ein teil mit haut.

der gesamte rücken mit haut als ein zweiter teil.

zwei große und zwei kleine nackte brustfilets als ein dritter teil

die fette haut mit dem reinen übrigen fett

der brustknorpel mit knochen

was kann ich damit jetzt anfangen?

als erstes ist es wohl geraten aus dem teil übriger knochen und etwas beyfüß eine brühe zu bereiten. dazu beginne ich die zerkleinerten knorpel und knochen bei sehr geringer hitze mit deckel zu rösten. das kann eine ganze weile dauern.
inzwischen kann ich die haut in würfel schneiden und mit dem fett in einer pfanne bei geringer hitze auslassen. auch das kann eine weile dauern.
die filetstücke können erstmal beiseite gelegt werden. die werden später kurz gebraten und in der warmen brühe eingelegt und erstmal geparkt.

rücken, flügel und schenkel werden im ofen auf dem grill gebacken. dazu lege ich dicht unter den grill ein tiefes backblech mit beyfuß und etwas wasser, schalte auf oberhitze und umluft bei naja.. sagen wir mal 180°C.

der rücken braucht normalerweise länger und kann vorher in der sudpfanne mitgeröstet werden, damit die wirbel und feineren knochen schön mürbe sind, denn die essen wir  zu einem guten teil mit. das fleisch um die wirbel und an den rippen ist sonst nicht zu erreichen. 

das grillgut wird später hin und wieder mit dem sud aus dem backblech übergossen.
inzwischen ist das fett ausgelassen und die hautstückchen brutzeln goldgelb vor sich hin. damit ist der teil des tieres fertig, kann in ein gefäß gefüllt werden und wird kalt gestellt. ein teil des fettes kommt später in den rotkohl, falls es welchen gibt, der rest kann wie gewöhnliche butter oder als schmalz verwendet werden. es dauert recht lange, bis das fett fester wird.
das grillgut wird langsam knusprig, ich schaue nach den gerösteten knochen und lösche diese mit wasser ab. das ganze kann jetzt noch weiter bei nicht zu hoher hitze kochen, bis die knochen ihren geschmack abgeben und der knorpel im idealfall aufgelöst wird. das hat keine besondere eile.
als erstes werden die schenkel und flügel fertig und mit dem rücken warm gestellt, die flüssigkeit aus dem backbleck kann mit zur soße beitragen, ebenso werden dann die filetstücke gebraten, in scheiben geschnitten und in die warme soße getan.
fertig!

dazu gibts brot, klöße mit ein wenig rotkohl oder fratzen.
aufgetragen kann das werden in drei folgenden gängen oder einzelnen menüs für zwei bis drei oder als partygelage für fünf personen.
1. gegrillte schenkel

2. gerösteter rücken und flügelspitzen

3. brustfiletstückchen in kräftiger sauce